Kollege Hartmann hat dem Rap den Rücken gekehrt. Und das ungefähr 20 Jahre nachdem er mit Rappen angefangen hat. Er hat das Singen entdeckt und damit auch eine neue Seite an sich erst kennengelernt und dann zugelassen. Dort, wo er aufgewachsen ist, in Riesa in Sachsen, wurde ihm Männlichkeit ganz anders vermittelt, als er sie jetzt versteht. Über den Genre- und Sinnes-Wandel, den Rap und das Singen und über eine schockierende Diagnose spricht Kollege Hartmann im Interview bei Fritz Unsigned mit Christoph Schrag.

Diese Macker Kultur, die im Hip Hop gut funktioniert, weil es eine Competition-Kultur ist, das ist nichts mehr, wo ich als Mensch für stehen möchte. Wenn ich mir Gedanken drüber mache, dass ich Jahre später mal auf mein Werk zurückschaue, dann möchte ich keine Musik gemacht haben, die andere Leute irgendwie degradiert die ganze Zeit.
— Kollege Hartmann

Die klassischen Rap-Themen hat Kollege Hartmann ohnehin schon lange nicht mehr beackert. Sein letztes Album “Modus Mindestlohn” hat den Fokus auf die Lebensrealität von Leuten in einfacher Arbeit gelegt. Es ging um die Frage, ob es noch so etwas wie eine Arbeiterklasse mit eigenem Bewusstsein gibt. Jetzt hat Kollege Hartmann über das Singen den Zugang zu persönlichen Themen gefunden. Zu einer Emotionalität, die ihm früher nicht geheuer war, und von der er den Verdacht hat, dass sie jungen Männern bereits beim Aufwachsen entzogen wird. Er will eine andere Männlichkeit zeigen, als die, mit der er aufgewachsen ist. In seiner Single “Küssen” geht es ums Schüchternsein. Auch von seiner Depression und der Therapie dazu spricht Hartmann offen.

Das ist schon viel begründet in dieser männlichen Sozialisierung, die ich habe. Ich bin auf dem Dorf groß geworden, und die Art, wie man da ein Mann ist, die finde ich schon hochproblematisch zu großen Teilen. Und ich habe einfach festgestellt, wenn ich keinen Zugang zu meiner Gefühlswelt habe, dann ist da irgendwie ein gesamtes Paralleluniversum, das an mir komplett vorbeigeht.
— Kollege Hartmann

Kollege Hartmann bei Spotify

Neben der Depression hatte Kollege Hartmann zuletzt auch noch eine Krebsdiagnose zu verkraften. Auch ein Thema, worüber es sich zu sprechen lohnt, auch wenn es schambehaftet ist: Hodenkrebs ist die häufigste Krebsart bei jungen Männern. Eine Gruppe, für die keinerlei Vorsorge vorgesehen ist. Zum Glück für Kollege Hartmann wurde es in seinem Fall früh entdeckt, was ihm so gute Heilungs-Chancen verschafft, dass die Erkrankung in seinem Leben nicht mehr die Hauptrolle spielt.

Ich denke, ich habe Glück. Andere sagen, es ist trotzdem noch alles ein großes Pech. Und ja, das ist es auch. Aber so sehr hat es mich nicht aus der Bahn gehauen, außer dass ich den Wert des Lebens für mich noch mehr zu schätzen gelernt habe.
— Kollege Hartmann

Neben seinem Job als Buchbinder ist die Musik also weiterhin Thema Nummer 1 im Leben von Kollege Hartmann. Sein Projekt ist inzwischen zur Band angewachsen. Die soll möglichst viel live spielen. Ob wieder Toursupports mit Antilopen Gang, Gossenboss mit Zett oder den Freunden von Lulu & Die Einhornfarm - dazu konnte Hartmann noch nichts sagen. Dafür kommt neue Musik: Er produziert gerade eine Single die nächstes Jahr erscheint, und auch ein Remix soll noch kommen.

Kollege Hartmann im Interview bei Fritz Unsigned mit Christoph Schrag am 12. November 2023


Show: Fritz Unsigned

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