Nashi44

Mit Deutschrap kannst Du einfach und direkt das sagen, was du fühlst, und es unverblümt raushauen. Deswegen hat es irgendwann Sinn gemacht.
— Nashi44

Die Viet-deutsche Rapperin Nashi44 aus Berlin geht mit so deutlichen wie cleveren Texten auf Konfrontationskurs gegen anti-asiatischen Rassismus und Sexismus.

Nashi44 zerpflückt exotisierende Klischees, die ihr angeheftet werden, und das mit genüsslicher Wortkunst auf dicken Beats. Ihre Debüt-EP heißt “Asia Box”, und im Interview erzählt Nashi von ihrem musikalischen Weg von Rap über Jazz und Pop zurück zum Rap und von der Power, die die Musik zurückgeben kann.



Christoph Schrag: Ich muss immer so ein bisschen zusammenzucken, wenn ich so sehr derbe und sehr explizite, sexualisierte Sprache oder gewaltvolle Sprache höre. Aber du hast das Thema ja absichtlich frontal gewählt. Du setzt Dich mit Deiner Herkunft auseinander, vor allem mit dem, was das in der weißen Mehrheitsgesellschaft bedeutet. Dem Thema kannst du schlecht aus dem Weg gehen, aber das so frontal anzugehen, wann ist da die Entscheidung gefallen?

Nashi44: Also das Ding ist, ich bin mit Hip-Hop und R&B aufgewachsen, ich habe drei ältere Brüder, ich komme aus Neukölln, aus Berlin und da haben wir Aggro Berlin gehört. Und über mehrere Umwege - Ich habe Jazz und Pop Gesang studiert, ich habe Blues Musik gemacht und so was alles - habe ich dann irgendwann gecheckt: Ey, mit Rap, mit Deutschrap kannst Du einfach direkt das sagen, was du fühlst und was du spürst und es einfach so direkt, einfach unverblümt raushauen. Und deswegen war es so... es hat irgendwann Sinn gemacht. 

Christoph Schrag: Also das Thema war immer da, den Rassismus zu thematisieren? Oder ist das erst langsam gereift? 

Also Sexismus und Rassismus habe ich schon seitdem ich klein bin mitbekommen und erlebt. Aber erst so in den letzten Jahren habe ich mich bewusst damit auseinandergesetzt und dann habe ich halt auch das channeln können durch diesen Deutschrap. 
— Nashi44

Nashi44: Also Sexismus und Rassismus habe ich schon seitdem ich klein bin mitbekommen und erlebt. Aber erst so in den letzten Jahren habe ich mich bewusst damit auseinandergesetzt und dann habe ich halt auch das channeln können durch diesen Deutschrap. 

Christoph Schrag: Aber du gehst damit sehr offensiv um. Deine EP heißt "Asia Box". Man sieht dich darauf sozusagen sehr leicht bekleidet, also quasi sämtliche Klischees, über den Sextourismus nach Deutschland getragen werden hast du da drin.

Nashi44: Sie werden aufgegriffen, aber wenn man genau hinschaut, dann sieht man in dieser "Asia Box" lauter Sachen, die eigentlich nicht in Asia Box gehören. Da sind Kieselsteine drin, da sind Massage-Steine drin, da ist Seife drin, da ist das "Center Shocks" drin, da ist die Winke-Katze drin. Also es sind so lauter Sachen, die man halt als Stereotypen hat in seinem Kopf. Das wollten wir dann halt einfach zurückgeben. 

Christoph Schrag: Und die Asia Box ist sozusagen der Gemischtwarenladen, den Europäer, Westeuropäer wie ich irgendwie im Kopf haben, wenn sie an Asien denken. 

Nashi44: Das ist eine metaphorische Box gegen die Stereotypisierung und Fetischisierung. 

Christoph Schrag: Okay, zu dem Umweg: Das ist ja jetzt so derbe, dass ich Schwierigkeiten habe, dich zu sehen in so einem Pop und Jazz Studiengang in Leipzig. Wie ist da dein Weg gewesen, bis zu dieser Entscheidung Rap zu machen? 

Nashi44: Ich habe einfach, seitdem ich 16 bin, schon Musik gemacht, habe Konzerte gegeben, habe mich dann auch zwei Jahre auf dieses Studium vorbereitet... 

Christoph Schrag: Was waren das für Bands?

Wir haben amerikanische Pop- und R&B-Songs gecovert. Da habe ich auch schon gerappt. Das wollte keiner der anderen machen, die haben sich alle so ein bisschen geschämt. Und ich war dann so: “Gimme the Mic, ich machs!”
— Nashi44

Nashi44: Das war eine Blues Rockband. Da habe ich die Songs auch selber geschrieben, bei der Band Gitarre gespielt, gesungen auf Englisch. Dann haben wir auch immer Popmusik gemacht, also amerikanischen Pop und R&B Songs gecovert. Da habe ich auch schon gerappt. Das wollte keiner machen, die haben sich alle so ein bisschen geschämt. Und ich war dann so: "Gimme the Mic, ich machs!"

Christoph Schrag: (Lacht)

Nashi44: Ich habe schon immer gesungen, und wollte es einfach richtig lernen. Deswegen habe ich dann halt dieses Studium angefangen, Jazz und Pop Gesang, und habe aber gemerkt: Nee, das ist nicht das, wofür mein Herz schlägt. Ich muss zurück zum Hip-Hop.

Christoph Schrag: Und dieses Frontale, das Offensive. Was man, muss ich jetzt sagen, auch im Interview so ein bisschen hört, du bist ja sehr präsent. Ist das das Aufwachsen mit drei Brüdern…? 

Nashi44: Wir haben uns auf jeden Fall gewrestled, aber es ist eher, weil ich sehr viele starke Frauen in meiner Familie habe und die sind sehr beeindruckend, inspirierend. 

Christoph Schrag: Zur (expliziten) Sprache, die du ja auch verwendest, womit ich zugegebenermaßen immer so ein bisschen ein Problem habe, wenn es sehr, sehr derb wird - einfach weil ich denke, muss ich das verstärken oder kann das meine Rolle sein, das jetzt zu verstärken? Für dich ist es ja was anderes, wenn Du sehr explizit Sexismen aufgreifst. Wie fühlt sich das denn an für dich, diese Repliken zu liefern auf Sexismus, auf Rassismus und sehr derb und deutlich zu werden? 

Nashi44: Na ja, guck mal: Die Musik habe ich gemacht, weil ich erst mal das verarbeiten wollte, was mir tagtäglich an Gewalt, an verbaler Gewalt zukommt. Selbst im Studium habe ich Rassismus erlebt, und dabei möchte ich ja auch am Liebsten nur über Liebe singen, über Blumen. Aber: Geht nicht, weil ich muss mich damit auseinandersetzen. Und dann war ich halt so ich ich benutzt die Musik, um mich selber damit zu therapieren, aber auch um ein Stück Musik zu machen, womit ich andere empowere, die genau das selbe durchmachen. Weißt du, und ich habe schon so viele Nachrichten bekommen von Leuten, die sagen: Deine Musik spricht mir aus dem Herzen. Ich fühle mich empowered dadurch. 

Die Musik habe ich gemacht, weil ich erst mal das verarbeiten wollte, was mir tagtäglich an Gewalt, an verbaler Gewalt zukommt. Selbst im Studium habe ich Rassismus erlebt, und dabei möchte ich ja auch am Liebsten nur über Liebe singen, über Blumen. Aber: Geht nicht, weil ich muss mich damit auseinandersetzen.
— Nahi44

Christoph Schrag: Wie ist, hab ich mich gefragt als nicht wissender Mensch, anti-asiatischer Rassismus spezifisch anders als Rassismus gegenüber Leuten aus dem arabischen Kulturkreis oder aus dem türkischen Kulturkreis. Gibt es da so bestimmte Sachen, Klischees, die gegen Menschen mit asiatischen Hintergrund immer ausgepackt werden. Also etwas, was dir begegnet, was Leuten aus Neukölln, die eben anderen Hintergrund haben, nicht so begegnet?

Nashi44: Also ich will jetzt nicht die ganzen Schimpfwörter wiederholen, die man so hört. Aber oftmals hat es halt was mit der Kultur zu tun, dass da irgendwelche Annahmen getroffen werden und du dann quasi in so eine Schublade gesteckt wirst, dass du so und so bist oder das und das machst oder tust. Es gibt ja diesen Mythos von der "Model Minority" zum Beispiel. Also dass du halt die Vorzeige-Minderheit bist, und dass asiatische Menschen dann ausgespielt werden gegenüber anderen Minderheiten, 

Christoph Schrag: In Bezug auf Anpassung?

Nashi44: Ja: “Die sagen ja nichts. Die sind so brav. Die sind immer gut in der Schule.” Aber wir erleben trotzdem Rassismus. Deswegen, es gibt so viele verschiedene Ebenen, man kann das schlecht vergleichen. 

Christoph Schrag: Du hast ja gerade schon gesagt, es macht dich glücklich zu hören, was andere Leute mit deiner Musik erleben, also wie sie sich dann fühlen, wenn sie das hören und dass es sie bestärkt. Das ist aber nicht alles, sondern du hast auch beschlossen, in deinem Team Safe Spaces zu kreieren. Also Du möchtest mit Leuten zusammenarbeiten, die was Geschlechtlichkeit angeht, nicht binär sich identifizieren. Und  was sozusagen Kultur angeht, beziehungsweise rassistische Strukturen, eben mit Leuten arbeiten, die nicht zur weißen Mehrheitsgesellschaft gehören. Warum? Warum ist das wichtig? 

Nashi44: Weil ich mir denke, gerade wenn ich quasi Musik mache und dann zum Beispiel jetzt die Auswahl habe, mit wem ich zusammenarbeiten möchte, mit wem ich ein Musikvideo machen möchte, wer für mich die Beats produziert oder wer die Promo macht für mich... Es sind ja quasi alles Plattformen, wo ich “Macht" abgeben kann oder einfach Jobs weitergeben kann. Und es ist halt nun mal so, dass Flintas - also Frauen, Lesben, inter- non-binary, trans-, a-gender oder halt auch BI-PoCs, also Black/Indigenous People of Colour,  weniger Jobmöglichkeiten haben. Und dann denke ich mir, wenn ich gerade in einer Position bin, wo ich Jobs abgeben kann, dann mache ich das sehr gerne. 

Christoph Schrag: Was entwickelt sich denn da in so einem Team? Hat das dann auch so eine Wirkung, wie du das beschreibst von deiner Musik, wenn du dann Feedback bekommst: Oh super, das supportet mich? 

Nashi44: Ja, jetzt zum Beispiel das letzte Musikvideo, was rauskam. Das war eine komplette FLINTA-Produktion. Also Cis-Frauen und non binary people waren da involviert und es ist halt einfach ein ganz anderer Vibe. Ich sage jetzt nicht, dass nicht auch Sachen schief gelaufen sind oder man sich nicht gestritten hat oder es keine Konflikte gab. Aber es ist halt einfach magisch gewesen. 

Christoph Schrag: Die Stories, die in Deinem Song "Virus in der DNA" vorkommen, basieren auf tatsächlichen Erlebnissen in tatsächlichen Clubs. Was ist deine erste Reaktion (auf Beleidigungen, sexistische, rassistische Sprüche)? Reagierst du schlagfertig. Oder ist das so, dass du rausgehst und denkst… Verdammt! 

Nashi44: Das kommt so auf die Situation an. Ob ich jetzt gerade die Energie habe, mich mit der Person auseinanderzusetzen und zu streiten. Oder ob ich mir jetzt denke, ich will grad einfach nur feiern und Spaß haben. 

Christoph Schrag: Oder bist du manchmal auch einfach komplett perplex? Passiert dir das auch noch? 

Nashi44: Natürlich gibt es Momente, wo ich dann denke, passiert das gerade ernsthaft?

Christoph Schrag: Deine erste Single hieß "Aus der Pussy”. Ist das die Antwort, die du dann tatsächlich gegeben hast, wenn jemand dich gefragt hat “Wo kommst Du her", und du sagst "Ich komme aus Neukölln”, und ob deines Anblicks sagt der “Ja, ja, aber…" 

Nashi44: "… wo kommst Du denn wirklich, wirklich her, deine Eltern und so…” Ja, dann sag ich "aus der Pussy meiner Mutti."

Christoph Schrag: Also, es gehört nach wie vor zum Alltag: Rassismus, der einem entgegenschlägt, wenn man eben nicht so aussieht wie ich, wie eine Kartoffel. 

Nashi44: Ja. 

Christoph Schrag: Mit Deiner EP "Asia Box” - ist damit zum Thema alles gesagt? Sprich machst Du jetzt was anderes?

Nashi44: Nee, die EP “Asia Box" kratzt an der Oberfläche. Da kommt noch sehr viel mehr, und es geht auch mehr in die Tiefe. 

Christoph Schrag: Nashi, vielen Dank!